Wer sich als Freiberufler selbständig macht, muss sich mit vielen lästigen Themen herumschlagen, von der Projekt-Akquise bis zu Steuern und Versicherungen. Eine der zentralen Fragen, um die du dabei nicht herumkommst, lautet: „Wie viel sollen meine Dienstleistungen kosten?“ Egal ob du auf Stunden- oder Projektbasis tätig sein willst, solltest du deine Preise abhängig vom Zeitaufwand kalkulieren. Das heißt, du musst wissen, wie viel du pro Stunde verlangen willst – oder besser gesagt: musst – um auf deine Kosten zu kommen.
Viele Einsteiger machen den Fehler, mit einem zu niedrigen Stundensatz zu starten. Laut Freelancer-Kompass 2020 ist das bei jedem zweiten Gründer der Fall. Das Problem dabei ist: Wer einmal deutlich zu niedrig gestartet ist, kann seine Stundensätze später nur schwer erhöhen, denn dadurch verliert er oft seine bisherigen Kunden. Wie aber findest du heraus, welche Preise du verlangen solltest?
Die schlechte Nachricht vorweg: Um ein wenig Rechnen kommst du dabei nicht herum. Es reicht nämlich nicht, nur auf die Preise der Konkurrenten zu schauen. Die wissen es oft selbst nicht besser oder verfügen über andere Anforderungen oder Qualifikationen als du.
Wie viel willst du verdienen?
Zunächst solltest du überlegen, wie viel du (sobald die Gründungsphase überwunden ist) verdienen möchtest – also wie viel am Ende jedes Monats in deiner Tasche landen sollte. Sinnvoll ist hier ein Vergleich mit dem Netto-Gehalt eines Angestellten, der über eine ähnliche Qualifikation wie du verfügt und ähnliche Aufgaben übernimmt. Dabei gilt auch bei Freiberuflern, dass Berufsanfänger im Schnitt weniger verdienen als „alte Hasen“.
Neben dem gewünschten Einkommen spielen auch deine Ausgaben eine wichtige Rolle: Arbeitest du im Home-Office oder musst du ein Büro oder Co-Working-Space anmieten? Hast du regelmäßige Ausgaben für Software-Lizenzen oder Marketing? Einen zentralen Posten, den viele angehende Freiberufler vergessen, sind Kosten für Sozialversicherungen: Diese sind bei Selbständigen deutlich höher als bei Angestellten, unter anderem weil sie den Arbeitgeberbeitrag selbst zahlen müssen.
Mit diesen Ausgaben musst du rechnen
Angenommen, du willst am Monatsende 2.800 Euro netto übrigbehalten: Welchen Umsatz brauchst du hierfür? Das hängt vor allem von deinen Kosten ab:
- Musst du Büromiete zahlen? Wie hoch sind die Ausgaben für Telefon und Internet?
- Welche Büroausstattung und Hardware brauchst du?
- Arbeitest du mit lizenzpflichtiger Software?
- Arbeitest du remote oder bist du viel mit Auto oder Bahn unterwegs?
- Hinzu kommen die Kosten für Kranken- und Pflegeversicherung, ggf. Haftpflichtversicherung sowie die Einkommenssteuer
- Außerdem benötigst du Rücklagen für schlechte Zeiten: und irgendwann musst du auch an die Altersvorsorge denken.
Insbesondere von den Sozialversicherungskosten werden viele IT-Freelancer überrascht. Wenn du dich weiterhin über die gesetzliche Krankenkasse versichern möchtest, zahlst du pro Monat für Kranken- und Pflegeversicherung mindestens 181 Euro. Die Beiträge klettern je nach Bruttoeinkommen und Kasse auf 800 Euro und mehr hoch.
Abhängig von deiner Tätigkeit benötigst du unter Umständen auch eine Berufshaftpflichtversicherung. Für manche Berufsgruppen ist sie zwingend vorgeschrieben, etwa für Architekten und Ingenieure, Ärzte oder Rechtsanwälte. Wenn deine Tätigkeit in irgendeiner Form etwas mit dem Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie zu tun hat, solltest du eine IT-Haftpflichtversicherung abschließen. Denn freiberuflich tätige IT-Dienstleister sind aufgrund der vielen Klauseln und Geheimhaltungsverpflichtungen in ihren Projektverträgen einem hohen Haftungsrisiko ausgesetzt; existenzbedrohende Schadenersatzforderungen sind bei ihnen leider keine Seltenheit.
Um dir das Zusammenrechnen aller notwendigen Ausgaben zu erleichtern, kannst du im Internet auf einige hilfreiche Tools zurückgreifen, die für dich unter anderem gleich die fällige Einkommenssteuer berechnen. Empfehlenswert ist etwa der Stundensatzkalkulator der IHK Krefeld oder der Einkommensrechner von akademie.de. Aber Achtung: Diese Tools berücksichtigen nicht die notwendigen Risikorücklagen, die du für Zeiten mit zu wenigen Aufträgen oder eine längere Krankheit benötigst. Dein Nettoverdienst sollte so hoch sein, dass du davon jeden Monat 10 bis 20 % auf die hohe Kante legen kannst. Und auch das Thema Altersvorsorge solltest du nicht auf die lange Bank schieben.
Welche Kosten kannst du eigentlich abrechnen?
Ganz wichtig beim Thema Stundensatz: Du musst wissen, was du deinen Kunden überhaupt in Rechnung stellen kannst. Tatsächlich kannst du meist nur einen Teil deiner Arbeitszeit abrechnen, nämlich nur die produktiven Stunden. Das ist die Zeit, die du an dem eigentlichen Auftrag arbeitest. Kein Geld bekommst du für das organisatorische Drum-herum: Marketing, Auftragsgewinnung, Angebote und Rechnungen schreiben und so weiter. In der Regel machen die produktiven Stunden nur 60 bis 75% der Arbeitszeit aus. Damit du die restliche Zeit nicht „umsonst“ arbeitest, musst du sie bei deiner Stundensatzkalkulation berücksichtigen. Und nicht vergessen: Am Ende kommt noch die Umsatzsteuer oben drauf (es sei denn du bist Kleinunternehmer mit maximal 17.500 Euro Umsatz im Jahr).
Ist mein Stundensatz realistisch?
Natürlich ist die Stundensatz-Berechnung kein Wunschkonzert. Wenn du das angestrebte „Gehalt“ zu hoch ansetzt und bei den laufenden Ausgaben nicht sparsam bist, wirst du vermutlich bei einem unrealistischen Stundensatz landen. Ein Blick in aktuelle Branchen-Statistiken lohnt sich daher. So erfährt man im Freelancer-Kompass, dass SAP-Freelancer im Schnitt 110 Euro pro Stunde verlangen, Webdesigner dagegen nur rund 70 Euro. Mit Standard-IT-Serviceleistungen lassen sich rund 80 Euro pro Stunde verdienen, mit Programmierleistungen ca. 95 Euro. Außerhalb des IT-Umfelds sind die Verdienstunterschiede noch deutlich größer. Das Jahreseinkommen eines Notars ist um ein Vielfaches höher als das freiberuflicher Lehrkräfte.
Bei allen Zahlen müssen Berufsanfänger bedenken, dass sie über weniger praktische Erfahrung als der Durchschnitt verfügen und daher in der Regel weniger für ihre Dienstleistungen verlangen können. Und nicht zuletzt musst du beachten, für wen du arbeiten willst, denn deine Preise müssen zum jeweiligen Auftraggeber passen. Kleine Unternehmen zahlen eher niedrigere Stundensätze als ein großer Konzern, und auch regional kann es Unterschiede geben. Daher ist es absolut in Ordnung, seinen Stundensatz für jedes Projekt neu zu berechnen. Und wie man das vernünftig macht, weißt du ja jetzt.
Autor: Kai Doerk ist Gründer von Asekurado, einem auf Freiberufler und selbständige Unternehmer spezialisierten Versicherungsmakler